Affinity
- 6 Minuten - 1187 WörterDer Großteil des Posts bezieht sich auf die Version 1.9. bzw. 1.10.
Es werden nur noch einige Bugfixes als Update veröffentlicht aber keine neuen Funktionen, denn Anfang November 2022 ist die Version 2.0 erchienen. Dazu folgt womöglich ein Update des Posts.
Es ist einige Jahre her, dass das englische Softwareunterehmen Serif (Europe) Ltd. seine bis dahin wenig erfolgreichen, obwohl angeblich recht guten (für den sehr niedrigen Preis) Nur-Windows-Programme PagePlus, PhotoPlus und DrawPlus durch die komplett neuentwickelte Affinity-Reihe mit entsprechend Affinity Photo, Designer und Publisher (nun für macOS, Windows und – ohne letzeres Programm – iPad erhältlich) ersetzt hat.
Mittlerweile liegen die genannten Programme in der Version 1.10 vor, also immer noch in einem „frühen“ Entwicklungsstadium, was aber keineswegs bedeutet, dass die Funktionalität „unterentwickelt“ wäre. Im Gegenteil: man kann damit sehr wohl professionelle Layouts, Grafiken und Photocomposings erstellen und diese auch kommerziell produzieren lassen. Bei meinem Arbeitgeber sind bereits einige Jobs aus Publisher auf einer HP Indigo gedruckt worden, ohne Probleme im Workflow.
Ich habe die Programme gekauft (regulär 54 EUR/Lizenz zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Posts; es gibt aber ca. zweimal im Jahr einen Rabatt von bis zu 50 %) und setze diese ein, um Layouts, die über reinen Text hinausgehen zu gestalten, Logos/Grafiken zu erstellen oder Bilder zu bearbeiten.
Da ich beruflich mit den Adobe-Programmen InDesign, Photoshop, Illustrator und Acrobat viel zu tun habe, versuche ich hier v. A. Affinity Publisher vorzustellen, bzw. auf Stolperfallen und Unterschiede zu dem o.g. InDesign aufzuzeigen.
Personas
Die Handhabung des Programms ist ähnlich wie beim Platzhirschen (rahmenorientiert), obwohl man sich an einigen Stellen stark umorientieren muss. Was sehr positiv hervorzuheben ist, ist das Konzept der Personas.
Dabei werden alle (angeblich mit wenigen Ausnahmen, die mir aber bis jetzt nicht aufgefallen sind) Funktionen von Designer und Photo von Publisher aus mit einem Klick auf einen Button umgeschaltet. Das bedeutet, man kann ein Bild aus dem Layout heraus bearbeiten/retuschieren etc., ohne das Programm wechseln zu müssen. Dafür müssen aber alle drei Programme installiert (und natürlich lizensiert) sein.
Unterschiede
- Globale Ebenen in Publisher gibt es nicht, jede Seite hat eigene Ebenen. Da ist es etwas schwierig, die Ordnung einzuhalten. Man kann als Workaround Ebenen auf mehreren Musterseiten anlegen und diese dann für alle Seiten, die darauf basieren ein- und ausschalten. Seiten können auch auf mehreren Musterseiten basieren 1.
- Es können keine unterschiedlichen Seitengrößen in einem (Publisher-)Dokument verwendet werden, es können aber sog. „Artboards“ mit dieser Eigenschaft in Designer angelegt werden und dann in Publisher platziert werden. (ist in der kürzlich erschienenen Version 2 möglich)
- Affinity Photo kann keine 1-Bit-Grafiken (also Strichbilder) erzeugen; es kann eine Einstellungsebene Schwellenwert angewendet werden und eine Strichgrafik so „simuliert“ werden, aber es werden immer mind. 8-Bit-Graustufen beim Speichern (z.B. als TIFF); diese Grafiken können aber sehr wohl in Publisher mit einer Farbe eingefärbt werden, einzig wenn diese auf einer Farbfläche liegt, wird der Hintergrund nicht transparent. Dazu müsste die Füllmethode Multiplizieren angewandt werden, was aber evtl. Farbmischung mit dem Hintergrund mit sich bringt.
- Dokumente in Publisher (und Designer ?!) haben eine beim Erzeugen festgelegte Auflösung (im Dialogfled bis 400 ppi, man kann aber einen anderen Wert händisch eintippen, z.B. 1200). Diese wird z.B. beim Export relevant (s. unten bzgl. PDF Transfer-Methode).
Farben
Man muss sich natürlich mit dem Thema Farbmanagement auseinandersetzen und die Programme/Dokumente entsprechend vorbereiten bzw. bei der PDF-Ausgabe gewisse Dinge beachten.
Ich verwende als Standard die Profile ISOcoated v2 (ECI) bzw. PSOuncoated (ISO12746) für CMYK und eciRGB_v2 oder AdobeRGB für RGB. Es ist extrem wichtig, dieselben Farbprofile für das Layoutdokument und die PDF(-X)-Ausgabe zu verwenden, sonst werden z.B. Sonderfarben in CMYK umgewandelt.
Es gibt ein Problem mit einer Standard-Farbpalette namens „Grautöne“: die dort abgelegten Farben ergeben – obwohl „Schwarz“ (und in prozentualen Abstufungen) benannt – kein einkanaliges, sauberes Schwarz! Dafür reicht ein prüfender Klick auf die Farbe-Palette. Es muss also selbst ein 100%-Schwarz im Dokument angelegt werden (es ist zudem nicht möglich diese Farbe als überdruckendes 100% K als globale Farbe oder besser noch in einer programmweiten Farbpalette anzulegen).2
Stolperfallen
Es sind aber auch noch ein paar gravierende Probleme vorhanden, die ausgiebig im Affinity-Forum diskutiert werden, und die bei etlichen Benutzern für Frust sorgen:
Kaputte Dokumente vermeiden
Dokumente / Layoutdateien sollten immer lokal gespeichert werden, d. h. nicht auf einem externen Datenträger (USB-Festplatte, USB-Stick, auch kein Netzlaufwerk). Begründet wird es damit, dass die Affinity-Programme sensibel darauf reagieren, wenn der Datenträger, auf dem gerade gespeichert wird auch für sekundenbruchteile nicht erreichbar ist (was bei USB und/oder Netzwerk passieren könnte). Es kann dabei zu nicht behebbaren Fehlern in den Dateien kommen.
Eine Möglichkeit, ein so nicht mehr zu öffnendes Dokument zu retten, ist es, (in Affinity Publisher) die Funktion Dokument → Seiten aus Dokument hinzufügen… zu verwenden. Damit kann man in vielen Fällen seine Dokumente retten. Falls das fehlschlägt, ist es möglich, dass Serif-Mitarbeiter das Dokument wiederherstellen können. Dafür muss man sich im Forum anmelden und entweder einen neuen Thread unter Home > Affinity Support > Affinity Support & Questions > Affinity on Desktop Questions (macOS and Windows) oder unter Home > Bug Reporting > Report a Bug in Affinity Publisher V2 > Publisher 2 Bugs found on macOS (bzw. Windows) eröffnen oder in einer der zahlreichen bestehenden/aktuellen Anfragen das betroffene Dokument hochladen und darum bitten, dass ein Serif-Mitarbeiter sich der Sache annimt.
PDF-Export / Platzieren
Zum einen verwendet Serif die zwar gute PDFlib zum Export (und Import) von PDF-Dateien, hier sind aber einige Sachen zu beachten:
- PDFs können im Designer und Publisher recht komfortabel bearbeitet werden, dabei wird das PDF „interpretiert“, was die Installation aller verwendeten Schriften voraussetzt (wenn man Texte bearbeiten will, ist es aber auch nicht viel anders bei Adobe Acrobat Pro und PitStop-Plugin)
- PDFs können im Publisher als Grafik platziert und aus dem Layout exportiert werden. Dabei wird die Methode Transfer verwendet, bei der das PDF nicht interpretiert wird. Dabei ist aber zu beachten, dass PDFs ohne einen OutputIntent als RGB- und Pixel-Daten gerastert werden (mit der Dokumentauflösung, s. weiter oben). Das ist ein sehr großer Unterschied zur Arbeitsweise von Adobe InDesign, das PDFs grundsätzlich nicht interpretiert aber bei der Ausgabe Texte und (Vektor-)Grafiken als solche beibehält. Die Trasfer-Methode bedeutet aber auch, dass Bilder in PDF-Daten nicht neu berechnet werden, was für einen schnellen Korrekturabzug mit LoRes-Bildern nicht taugt, weil das PDF u.U. größer als alle enthaltenen Bilder/Grafiken zusammen wird! Auch das ist ein großer Unterschied zu InDesign, das die enthaltenen Bilder auf eine gewünschte Auflösung reduzieren kann. Als Workaround können die PDFs nachträglich mit diversen Werkzeugen bearbeitet werden, wenn man kein Acrobat (mehr) verwendet z.B. mit GhostScript. So wäre ein Umrechnen mit folgendem Befehl über CLI unter Linux möglich:
$ gs -sDEVICE=pdfwrite -dPDFSETTINGS=/screen -o zielpdf_lores.pdf quell_pdf_aus_afpub.pdf
- In der noch sehr frischen Version 2 von Designer und Publisher scheint es einen Bug beim Öffnen von PDFs (mit Schriftenersetzung) zu geben: es werden nur graue Kästchen statt Schrift angezeigt. Der Export (als PDF) funktioniert allerdings. Ich hatte die Aufgabe eine vollflächige Hintergrundgrafik („digitales Briefpapier“) aus einem PDF zu entfernen. Außer Acrobat scheint es keine freie/OpenSource-GUI-Windows-Software zu können. Aber – mal wieder – das unersetzliche GhostScript:
$ gs -o noimages.pdf -sDEVICE=pdfwrite -dFILTERIMAGE input.pdf
3
Quellen:
-
https://forum.affinity.serif.com/index.php?/topic/98497-global-layers/ (Tipp aus dem Affinity-Forum) ↩︎
-
https://www.youtube.com/watch?v=VmqDIR5GcG4 (Kanal von Michel Mayerle) ↩︎
-
https://stackoverflow.com/questions/29657335/how-can-i-remove-all-images-from-a-pdf/29657475# ↩︎